Die Feuchtwälder der Nordvorpommerschen Waldlandschaft
Weiterführende Informationen (Teil 2)
Dass in der Kulturlandschaft Nordvorpommerns bis heute artenreiche Feuchtwälder als Wirtschaftswälder existieren, daran hat die angepasste Waldnutzung der vergangenen drei Jahrhunderte großen Anteil. Durch umfassende Rodungen im 13. und 14. Jhdt. in der heutigen Ausdehnung entstanden, erhielten sich auf stark grundwasserbeeinflussten Standorten traditionell bäuerlich bewirtschaftete Wälder. Relikte dieser Wälder sind vorwiegend in der Großlandschaft „Nordöstliche Lehmplatten“ noch heute zu finden. Auf den gerodeten Flächen hingegen kam es infolge der abnehmenden Verdunstung zur Erhöhung des Grundwasserspiegels mit Versumpfungen bzw. Moorbildungen in tiefergelegenen Bereichen.Zum Ende des 30-jährigen Krieges waren die Vorpommerschen Wälder ausgeplündert. Doch nach schonender und überlegter Nutzung und unter Beibehaltung des natürlichen Wasserregimes konnten sich die Wälder vom Raubbau erholen und mittlerweile wieder zu artenreichen, gesunden und stabilen Beständen entwickeln. Zentrale Teile der „Nordvorpommerschen Waldlandschaft“ hatten sich zudem aufgrund der Ausweisung als DDR-Staatsjagdgebiet über mehrere Jahrzehnte relativ ungestört weiterentwickelt. Die Feuchtwälder, die sich hinsichtlich ihrer Pflanzengesellschaften und des Arteninventars von den anderen Waldgesellschaften unterscheiden, sind aktuell durch anhaltende Entwässerung, durch eine nicht naturnah durchgeführte Forstwirtschaft und durch Nährstoffeinträge gefährdet. Dabei waren sie am Ende der sechziger Jahre noch weitgehend durch die natürliche Vegetation geprägt. Mit der dann einsetzenden sogenannten komplexen Melioration der gesamten Agrar- und Waldflächen wurde jedoch eine erhebliche Veränderung der Bodenwasserverhältnisse herbeigeführt, die sich auf die gesamte Landschaft auswirkte.

Zahlreiche Fließgewässer wurden begradigt, verrohrt oder sehr tief ausgebaut, um möglichst große Gebiete zu einem Wasserregulierungssystem zusammenzufassen. Der Wasserhaushalt der von ihnen durchflossenen Wälder wurde dadurch stark verändert und das ökologische Potential der Fließgewässer zum Teil schwer geschädigt. Durch die Entwässerungsmaßnahmen, die direkt im Wald vorgenommen wurden und werden, einschließlich der Ableitung des Oberflächenwassers in die Vorfluter, wurden sehr viele Feuchtstellen durch Gräben an die Vorfluter angeschlossen. Dauerhafte Nassstandorte und wechselfeuchte Bereiche sind davon gleichermaßen betroffen.Über Jahrzehnte hinweg führen diese Eingriffe in den Wasserhaushalt zwangsläufig zur frühzeitigen Austrocknung der betroffenen Waldgebiete und damit auch zu irreversiblen Veränderungen der Bodenstruktur und der Feuchteverhältnisse. Dadurch bedingt verändert sich auch das Artenspektrum der Pflanzen- und der Tierwelt. Ein Artenschwund ist zu beobachten. Bemerkt wurde dieser Prozess von zuständiger Seite erst, als seltene oder auffallende Arten wie der Schwarzstorch und der Schreiadler nicht mehr erfolgreich brüteten bzw. im Bestand zurückgingen.

Eine Gefährdung bzw. in manchen Bereichen sogar Schädigung resultiert, vorwiegend in der Vergangenheit, auch aus forstwirtschaftlichen Maßnahmen. Da ist die Baumartensubstitution durch die Begründung von Beständen mit verschiedenen Fichtenarten sowie durch Lärchen und Pappelhybriden ebenso zu nennen wie die intensive Nutzung des Holzes, einschließlich der Anlage großer Kahl- oder Schirmschläge und deren Wiederaufforstung mit standortuntypischen Arten. Überall dort, wo das Oberflächenwasser für abwechslungsreiche Standortbedingungen ausschlaggebend ist, fördert es zugleich eine große Vielfalt an Tierarten. Als Resultat dieser Verhältnisse und des Vorhandenseins ungestörter Altholzkomplexe befindet sich in den Nordvorpommerschen Feuchtwäldern noch Schwerpunktvorkommen des Schreiadlers, auch „Pommernadler“ genannt. In diesem Zusammenhang ist zu betonen, dass der Bruterfolg des Schreiadlers wesentlich davon abhängt, ob in unmittelbarer Horstnähe (ca. 1 km Umkreis) feuchte und nasse Boden- und Vegetationstypen vorhanden sind, so dass er möglichst rasch an seine Beute (Lurche, Kriechtiere) gelangen kann. Das gesamte Nahrungsgebiet eines Brutpaares kann ein Areal von etwa 5 km Durchmesser umfassen.Weitere im Projektgebiet vorkommende gefährdete Tierarten sind unter anderem verschiedene Fledermausarten, Baummarder, Wald-Wasserläufer, Schwarzspecht, Mittelspecht, Hohltaube, Habicht, Sperber, Roter Milan, Wespenbussard, Kranich, Zwergschnäpper, seltene Tagfalter (wie Großer und Kleiner Eisvogel, Schillerfalter und Kaisermantel), Laubfrösche und Moorfrösche. Der Schwarzstorch ist nach den letzten umfangreichen meliorativen Eingriffen seit Ende der achtziger Jahre allerdings nur noch als Einzelgänger und nicht mehr als Brutpaar nachgewiesen.Viele dieser Arten sind neben einem intakten Wasserhaushalt auf das Vorhandensein großer alter Bäumbestände angewiesen. In diesen Althölzern finden sie Bruthöhlen bzw. tragfähige Unterlagen für den Horstbau mit ausreichend Sichtschutz.

Ralf Schmidt
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